Ablenkung im Straßenverkehr
Verminderung der Aufmerksamkeit
Obwohl zweifelsfrei klar ist, dass Ablenkung eine Unfallursache ist, liegt noch Vieles im Unklaren. Anders als beispielsweise die überhöhte Geschwindigkeit, hinterlässt die Ablenkung kein typisches Unfallbild. Ganz im Gegenteil, Ablenkung kann in zweiter Ordnung hinter vielen vermeintlichen Unfallursachen stehen. Bei einer Umfrage der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Jahr 2012 gaben 4 von 5 der befragten Autofahrenden an, dass sie in der vergangenen halben Stunde zwei bis drei fahrfremde Tätigkeiten verrichtet hätten.
Smartphones und Handys
Beim Thema Ablenkung denken die meisten sofort an Smartphones. Doch die wohl häufigste Art der Ablenkung sind unsere Gedanken. Routinierte Abläufe verleiten dazu, mit den Gedanken abzuschweifen. So kann der Blick auf die Gefahrensituation gerichtet sein, ohne dass die tatsächliche Gefahr wahrgenommen wird. Starke Emotionen verstärken diesen Effekt, unabhängig ob diese positiv oder negativ sind. Es ist daher nicht verwunderlich, dass statistisch betrachtet freitags das Unfallrisiko am Größten ist. Viele Pendler wollen schnell nach Hause und sind in Gedanken bereits im Wochenende.
Eine US-Studie ergab, dass das Schreiben einer Textnachricht während des Autofahrens die Unfallwahrscheinlichkeit um das 23-fache erhöht. Damit zählt das Schreiben einer Textnachricht zu den gefährlichsten Ablenkungsarten. Telefonieren erhöht das Unfallrisiko immerhin noch um das 6-fache. Umstritten ist, wie groß der Unterschied zwischen dem Telefonieren mit und ohne Freisprecheinrichtung ist.
Sicher ist allerdings: Wer auf das Telefonieren während der Fahrt verzichtet, fährt am Sichersten. Die Straßenverkehrsordnung verbietet daher bereits den Griff zum Mobiltelefon unabhängig davon, ob nur auf die Uhr geschaut oder eine Nachricht gelesen wird. Das gilt im Übrigen für sämtliche elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind (auch elektronische Taschenrechner).
Navigations- und Kommunikationssysteme
Wo früher das Autoradio seinen Platz hatte, steckt heute meist ein leistungsfähiger Bordcomputer nebst Entertainment- und Kommunikationsfunktion. Die immer zahlreicher werdenden Funktionen haben dazu geführt, dass viele Funktionen nicht mehr mittels eines Druckknopfes zu erreichen sind, sondern nur mittels Touchdisplay oder Eingabegerät. Der Blick muss für die Bedienung zwangsläufig von der Straße abgewandt werden.
Laut einer Untersuchung des ACE lenkt die Eingabe einer Adresse in das Navigationssystem den Fahrenden durchschnittlich 78 Sekunden ab. Bei 50 km/h wäre der Fahrende über eine Strecke von ca. 0,7 km abgelenkt - mit Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf der Autobahn bereits über 2,8 km. Was bei einer solch langen Strecke alles passieren kann, muss nicht weiter ausgeführt werden. Bereits das Übersehen eines Stauendes kann fatale Folgen haben. Das Navigationsgerät sollte unbedingt vor Fahrtantritt programmiert werden. Achtung: Wer das Handy zum Navigieren nutzt, darf dieses aufgrund des Handyverbotes auch zu diesem Zweck während der Fahrt nicht in die Hand nehmen.
Alltagshandlungen und Musik
Musikhören kann uns bei allen Arten der Fortbewegung ablenken. Je nach Lautstärke beeinträchtigt uns Musik in der Wahrnehmung der Verkehrsgeräusche. Auch wenn die meisten Informationen über das Auge wahrgenommen werden, sollte die Bedeutung des Gehörs für eine sichere Fortbewegung nicht unterschätzt werden. Ist die Musik beispielsweise so laut wie ein mit 50 km/h vorbeifahrendes Auto, benötigt der Musikhörende fast die doppelte Zeit zum Reagieren auf unvorhergesehene Ereignisse. Insbesondere leise Verkehrsteilnehmende, wie Fahrradfahrer oder Elektroautos, können bereits bei leiser Musik überhört werden. Die Straßenverkehrsordnung verbietet die Beeinträchtigung des Gehörs.
Doch nicht nur die Lautstärke ist entscheidend für den Grad der Ablenkung. Ein spannender Krimi als Hörbuch kann trotz seiner gemäßigten Lautstärke mehr ablenken, als beispielsweise Klassik- oder Jazz-Musik. Auf unsere Emotionen hat Musik einen starken Einfluss. Sie kann vorhandene Emotionen verstärken oder abschwächen. Generell negativ ist Musik damit nicht. In der richtigen Lautstärke die passende Musik zu hören, kann uns positiv beeinflussen. Das Schwierige dabei ist jedoch, dies vor Fahrtantritt zu erkennen. Indirekt kann die Musik auch dadurch ablenken, dass wir im Auto auf das Display des Bordcomputers schauen. Gleiches gilt für die meisten Alltagshandlungen, die nebenher hinter dem Steuer, auf dem Fahrrad oder beim zu Fuß gehen erledigt werden. Dies fängt beim Anzünden der Zigarette an und endet beim Bedienen des Laptops auf dem Beifahrersitz, Schminken oder Essen.
Gruppenfahrten und Mitfahrende
Das Phänomen der Gruppenfahrten betrifft primär Motorrad- und Fahrradfahrende. In der Regel wird der Sicherheitsabstand unterschritten und dadurch die Fehlertoleranz erheblich reduziert. Bereits ein kurzer Blick zu Mitfahrenden genügt, um das Bremsen der Vorausfahrenden zu übersehen. Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe verführt schnell dazu, eine Ampel selbst dann bei Gelb zu überqueren, wenn ein sicheres Bremsen noch möglich gewesen wäre. Interne Rennen, Überholmanöver oder das Auseinanderreißen der Gruppe erhöhen den Stress und können zu einer mentalen Ablenkung werden.