Rassismus ist eine Seuche!

Als unausrottbarer Virus überrollt sie uns in immer neuen Wellen. Nur temporär wirkt eine Immunisierung durch politische Bildung. Stets tauchen neue aggressive Mutationen auf und treten neue Lawinen von Hass los. Aktuell tobt auf unseren Straßen wieder ein Antisemitismus – diesmal getarnt als Israelkritik: „Man wird ja mal was sagen dürfen“. Was vor einigen Wochen die Querdenker waren, sind heute die Antizionisten: Mit bemerkenswerten personellen Kontinuitäten. 

Der Politikwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer definiert Rassismus als gruppenbezogene Menschfeindlichkeit. Dabei werden Menschen aufgrund ihrer selbstgewählten oder einer ihnen zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit abgewertet und als minderwertig eingeordnet. Um im Beispiel zu bleiben: Wer sich der Religion des Judentums gläubig verbunden fühlt, wählt seine Zugehörigkeit zu einer Synagogengemeinde selbst. Sobald jedoch Menschen nationalsozialistisch als Juden bezeichnet werden, die als Agnostiker keinen Bezug zu irgendeiner Religion haben oder als getaufte Christen einer Kirche angehören, handelt es sich um eine zugewiesene Gruppenzugehörigkeit. In beiden Fällen werden Menschen abgewertet, werden ihnen triebhafte Instinkte unterstellt und aufgrund einer vermeintlichen genetischen Disposition für minderwertig erklärt. 

Wer also vor Synagogen gegen die Politik Israels demonstriert, ist ein Rassist. Denn anders als etwa Botschaften oder Konsulate stehen Synagogen nicht für den Staat Israel sondern für eine Religion. Wer Angehörige einer Religion verantwortlich macht für eine Politik, die sie als Bürger eines anderen Staates selbst nicht mitgestalten können, zwingt sie in eine Gruppe, der die nicht zugehören (wollen). Sodann wird unter dem Vorwand legitimer Kritik an politischen Entscheidungen die längst gewusste Niederträchtigkeit „der“ Juden „bewiesen“.

Es gibt keine Menschenrassen

Da ist es sehr wichtig, dass in Art 3 GG geregelt ist, kein Mensch dürfe benachteiligt oder bevorzugt werden aufgrund seines Geschlechts, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Weltanschauung oder anderer Eigenschaften, die zu seiner Persönlichkeit untrennbar dazu gehören. Doch genau hier liegt auch das Problem. Jeder Mensch hat ein Geschlecht und sei es auch divers. Jeder Mensch hängt einer Weltanschauung an, sei es eine religiöse Konfession oder ein philosophischer Lebensentwurf. Jeder Mensch hat eine Heimat, der er entspringt, eine Sprache, die ihm als Kind mitgegeben wurde, eine sexuelle Orientierung, die ihn prägt. Kein Mensch aber hat eine Rasse!

Wer Menschen einer Rasse zuordnet, ist ein Rassist. Denn nur Rassisten argumentieren mit dem Konzept der Rasse. Es gibt keine Menschenrassen! Das haben zahllose genetische Sequenzierungen in den letzten 20 Jahren zweifelsfrei bewiesen: Zwischen Menschen aus West- und Zentralafrika einerseits und Ostafrika andererseits sind die – ohnehin nur - geringen Abweichungen im Genom größer als alle Differenzen zwischen Menschen aus Ostafrika und dem Rest der Welt. Die Unterschiede in der Pigmentierung der Haut, die in beliebig feinen Graduierungen natürlich vorkommen, ist ein komplett ungeeignetes Modell, um Menschen einer bestimmten Gruppe zuzuordnen. Der einzige beobachtbare Unterschied zwischen Menschen aus Ostafrika und denen aus Eurasien bzw. Ozeanien besteht darin, dass diese einen höheren Anteil am Erbgut der Neandertaler bzw. der Denisovaner haben. Darum ist es absurd, Menschen mittels weniger Merkmale in ihrem Phänotyp rassisch zu unterscheiden, wenn sie auf der Ebene der Genome keinerlei statistisch signifikante Unterschiede aufweisen. Die Clusterung von Menschen nach ihrer Hautfarbe, ihrer Haarbildung oder ihren Gesichtsformen ist willkürlich begründete Ideologie.

Artikel 3 Grundgesetz

Wenn Menschen keine Rasse haben, können Sie auch nicht wegen ihrer Rasse, sehr wohl aber aus rassistischen Gründen diskriminiert werden. Denn obwohl es nachweisbar keine Menschenrassen gibt, werden von Rassisten beharrlich rassistische Argumente vorgebracht. Der Abwehr solcher Kategorisierungen dient der Gleichheitsgrundsatz der Menschenrechte.

Es macht deshalb Sinn, dass in Frankreich 2018 der Ausdruck „Rasse“ aus der Verfassung gestrichen wurde. Auch in der Bundesrepublik wird zunehmend lauter diskutiert, im Grundgesetz diesen Begriff durch die Formulierung „aus rassistischen Gründen“ zu ersetzen. Nur so wird eine klare, durch den Würdeschutz in Art 1 GG unbedingt geforderte Abgrenzung vom Rassismus gewährleistet, ohne seine Denkvoraussetzungen zu implizieren.

Literaturhinweise

Jenaer Erklärung (https://www.shh.mpg.de/1464864/jenaer-erklaerung)

Johannes Krause: Die Reise unserer Gene, Berlin 2020

Dr. Martin Schulz-Rauch